zurück: Fenster schliessen

Die Pflanze des Monats März:
Der
Radicchio rosso tardivo

Der herbe Charme dieser Gemüseart ist von Dezember bis April zu geniessen. Botaniker nennen den Radicchio «Cichorium intybus». Er ist mit dem Chicorée und der Endivie verwandt. Radicchio Rosso di Treviso mit feinem Bitterton gilt als der angesehenste dieser Familie. Sein zartbitterer Geschmack stellt alle anderen Radicchio-Verwandten in den Schatten. Wie schon der Name sagt, ist seine Heimat die Marca Trevigiana oder Marca Gioiosa, die freudige Mark. Radicchio aus Treviso schlicht Salat zu nennen, wäre eine grobe Beleidigung. Nördlich der Alpen werden die violetten Blätter zwar oft zu dekorativem Blattwerk degradiert, in Italien indessen gilt Radicchio als hochwertiges Gemüse, roh, gegrillt oder gebraten.

Die Bauern Venetiens haben in Jahrhunderten aus der Wildpflanze eine Gemüsekultur mit verschiedenen Sorten entwickelt. Die Zucht des Radicchio di Treviso Rosso Tardivo ist eine kostspielige und mühevolle Arbeit. Aus der ungeniessbaren, extrem bitter schmeckenden Mutterpflanze wird in einem arbeitsintensiven Verfahren ein zartbitteres Wintergemüse. Die Mutterpflanze wächst im Sommer und wartet auf den Winter, um weiterverarbeitet zu werden. Mit dem Frost wird Radicchio auch rötlicher. Nach den ersten Frösten werden die noch unansehnlichen Mutterpflanzen geerntet, zu Bündeln mit 35 Stück geschnürt und wieder in die Erde gesteckt. Abgedeckt unter Plastikplanen treten die Pflanzen quasi in einen Winterschlaf. Sie treiben nicht weiter aus, sterben auch nicht ab.

Nach und nach holen die Radicchio-Bauern den ganzen Winter hindurch Pflanzen aus dem Plastikbett hervor. Nun darf der Radicchio wieder aktiv werden und endlich seine essbaren Blätter bilden - und zwar im Wasserbad. Die Bauern nennen diese Phase «forzatura». Die Radicchio-Bündel kommen in Wasserbecken und stehen hier mit ihren Wurzelfüssen dicht aneinander geschmiegt im fliessenden Quellwasser. Die Radicchio-Pflanzen brauchen die konstante Wassertemperatur von 14 bis 16 Grad. Und sie wollen auch das Fliessen des Wassers, etwa zwanzig Tage lang. Nun wachsen die neuen Triebe, die so kostbar sind. Der ganze Aufwand gilt allein den jungen Trieben, nur die sind geniessbar. Die welken Aussenblätter der Mutterpflanzen werden entfernt, nur die frischen Triebe, gewaschen im Quellwasser, kommen auf den Markt. Nun ist Radicchio also kein ganzer Salatkopf mehr, sondern nur noch dessen zartes Herzstück.

Während der Rosso Tardivo im Wasserbad feiner wird, kommt es beim Variegato di Castelfranco im Zeltbett zum Bleichen. Der Castelfranco bleibt nach dem ersten Frost im Acker und wird mit Folien bedeckt. Dann kommen die Köpfe in ein beheiztes Zelt. Das fehlende Licht in der Dunkelkammer lässt den Castelfranco bleich werden. Zum zarten Bitterton kommt der feine Elfenbeinton. Edel-Radicchio braucht also Prozeduren und Temperaturen, das Mikroklima der Trevigiana und das wohltemperierte Quellwasser aus dem Fluss Sile - eine Garantie, dass Radicchio nirgendwo sonst gezüchtet werden kann.

In der Marca Trevigiana wird Radicchio seit Jahrhunderten genossen. Arme Landsleute versuchten, Radicchio für den Winter einzulagern und entdeckten, dass die Pflanzen im warmen Stall nicht verfaulten, sondern austrieben. Sie stellten die Radicchio-Wurzeln ins Wasser, retteten sie über den Winter und bemerkten, dass die Blätter immer feiner und schmackhafter wurden.

Den zartbitteren Geschmack des Radicchio di Treviso Rosso Tardivo bringt man roh am besten mit Balsamico und hochwertigem Olivenöl zur Geltung. Die Hausfrauenküche des Veneto behandelt Radicchio meist schlicht: in Olivenöl gebraten, mariniert oder blanchiert.

 Zwei Rezepte – vgl. auch unsere März-Kolumne

Rosotto:

Man erhitzt die Butter und das Öl im Kochtopf, lässt darin die gehackte Zwiebel goldgelb werden und fügt den Radicchio[0] bei, den man in feine Streifen geschnitten hat. Man dünstet das Gemüse so lange, bis es seine rote Farbe verloren hat, gibt den Reis dazu, den man unter kräftigem Rühren anröstet und dann mit der Milch ablöscht, die das kräftige, bittere Aroma des Radicchios[0] mildert. Dann giesst man nach und nach die heisse Fleischbrühe dazu, wobei man ständig rührt und immer wieder wartet, bis die Flüssigkeit ganz aufgesogen ist. Nach ungefähr zwanzig Minuten, wenn der Reis al dente ist, gibt man den Rahm und den geriebenen Parmesan dazu und lässt den Reis vor dem Anrichten zugedeckt 2 bis 3 Minuten stehen, damit sich alles gut verbindet.

Aus: «Italiens Provinzen und ihre Küche» von Alice Vollenweider (Wagenbach).

Radicchio[0] alla Piastra

Die Wurzeln einiger gut ge schlossener, fester Exemplare entfernen. Die Köpfe der Länge nach halbieren und in einer Ma rinade aus Salz, Pfeffer und Oli venöl gut durchziehen lassen. Entweder auf dem Grill oder auf einer heissen Grillplatte garen oder im Ofen auf 200 Grad etwa 20 Minuten schmoren, bis sie goldgelb sind.

 Chircorée

Die Gemeine Wegwarte oder Zichorie zählt zur Familie der Korbblütler und ist eine bis etwa 1,5 Meter hohe, mehrjährige und stark verzweigte Pflanze mit leuchtend blauen Blütenköpfchen, stark gesägten Blättern und tief reichenden Pfahlwurzeln. Sie stammt aus Europa und Asien, kommt aber inzwischen weltweit vor. Die als Chicorée bezeichnete Form dieser Art wächst zweijährig. Im ersten Jahr bildet sie eine Rosette aus löwenzahnähnlichen Blättern, im zweiten Jahr treibt sie einen Blütenstand. Wenn man diesen Austrieb im zweiten Frühjahr schon frühzeitig beschattet, bleibt er gelblich weiss und besitzt ein aromatisch zartbitteres Aroma. Dieser verdickte, junge Austrieb wird abgeschnitten und kommt als Chicorée in den Handel, der roh gegessen oder gedünstet zubereitet werden kann.

Von bestimmten Sorten der gleichen Pflanze stammt der Radicchio. Er wird einjährig gezogen und bildet eine dichte Rosette mehr oder weniger stark rötlich gefärbter Blätter, die ähnlich wie der Chicorée zart bitter schmecken.

Eine zweite Varietät der Wegwarte ist die Wurzelzichorie mit stärker ausgebildeten, rübenartigen Wurzeln. Diese dienen in gerösteter und gemahlener Form als Kaffee-Ersatz und werden als so genannter Zichorien-Kaffee angeboten. Ein weiterer, wichtiger Vertreter dieser Gattung ist die Endivie, eine Salatpflanze.

 Systematische Einordnung

Chicorée heisst botanisch Cichorium intybus var. foliosum und gehört zur Familie Compositae. Radicchio trägt den gleichen Namen, während die Wurzelzichorie Cichorium intybus var. sativum genannt wird. Die Endivie trägt die botanische Bezeichnung Cichorium endivia.

 

 Ergänzungen zur
Monatspflanze:


  Radicchio di Treviso Rosso Tardivo, ein edles Wintergemüse in rotweiss-rot, mit weissem Rückgrat und weinroten Blättern.


  Radicchio di Treviso ist eine Chicoréepflanze, die im Gegensatz zu dem bekannteren runden Radicchio keine festen Köpfe bildet.
In der Form ist die Pflanze dem gebleichten Chicorée sehr ähnlich. Durch die rote Farbe der Blätter treten die weisslich hervor. Der Geschmack dieses Salates ist deutlich bitterer und intensiver als bei den anderen Radicchio-Arten. Den herben Geschmack gibt der in den Blattrippen enthaltene Bitterstoff Intybin, dem auch eine stoffwechselfördernde Wirkung zugeschrieben wird.


  Angepflanzt wird Radicchio di Treviso vorwiegend in Italien, und da in der Provinz Venetien. Dieser Salat wird im Herbst geerntet und unterliegt einer etwas selteren Anbaumethode. Er wird wie Chicorée in Erd- oder Wasserkultur zum Treiben einer Blattrosette gebracht und auch so weitergezüchtet.


  Gemäss einer Legende hatte ein Bauer in einer Ecke seines Stalls eine Schubkarre voller Zichorie stehen lassen und ein paar Tage später bemerkt, dass sich mitten unter den trockenen Blättern ein frischer Trieb gebildet hatte.

 Link: «Sein Herz so weiss», NZZ am Sonntag vom 9. Februar 2003